Positive Beispiele sollen in der Region dabei helfen, gute Bauentscheidungen zu treffen. Das Biodiversitäts-Dach der Firma Lütvogt in Wagenfeld gilt als eines dieser Beispiele. © Simone Brauns-Bömermann
Wagenfeld – Der großen Herausforderung Bauwende und der Frage, wie die Region aktiv daran mitarbeiten kann, haben sich erneut 30 Akteure gestellt– beim dritten Runden Tisch der Bildungsoffensive Nachhaltiges Bauen Mitte Niedersachsen in Wagenfeld. Der Termin fand nicht irgendwo statt, sondern in und an einem der Leuchtturmprojekte der Region, dem Getränkeunternehmen Friedrich Lütvogt.

Nachhaltigkeit kostet und zwingt zum Nachdenken in längeren Zeiträumen.
Rolf Ostermeyer, Architekt
Die Organisatoren, die mit dem Förderprojekt beauftragt sind, die Landkreise Diepholz, Nienburg und Verden zu befähigen, die Herausforderung der Bauwende anzunehmen und anzugehen, setzten auf das Lernen am Beispiel. Die Bedingungen könnten derzeit nicht schwieriger sein: Leere Kassen der meisten Kommunen, ein High-Tech-Anspruch im Bauen und steigende gesetzliche Regulationen erschweren Entscheidungen. Die größte Herausforderung bestehe darin, dass Kommunen und Planer, Handwerk und Bildung an einem Strang ziehen.
Die Theorie blieb bei dem dreistündigen Termin geringer als erwartet. Das Beispiel der Gewerbeentwicklung von Lütvogt seit den 1970er-Jahren, mit dem definierten Ziel, bis 2030 CO2-neutral zu sein, sprach für sich. Dies fand auch der einzige Bürgermeister in der Runde, Matthias Kreye aus Wagenfeld: „Ich gebe zu, für mich war der Auftakt mit dem Fördermittelbescheid 2023 in der Markuskirche in Hoya viel Theorie. Aber ich bin stolz, dass wir heute in dem innovativen Unternehmen weiterdenken.“
Dass Eile geboten sei, erklärte Architekt Rolf Ostermeyer aus Hannover. Er betreut das Unternehmen Lütvogt seit 1972 und plane derzeit einen Anbau einer Halle für Betriebsstoffe, wieder in Holzbauweise. „Wir müssen endlich umdenken, die Klimaziele sind ehrlich ambitioniert“, so sein Credo, das er mit dem verstorbenen Unternehmer Dirk Lütvogt uneingeschränkt geteilt habe. Dirk Lütvogt sei bekannt für seinen Pragmatismus in Sachen Naturschutz und Unternehmensphilosophie und suche seinesgleichen in der Region.
„Mein Ehemann hat schon immer auf volle Pulle Heimat gemacht“, leitete Elke Lütvogt ein und betonte die Konsequenz ihres Mannes. „Er war ein Nachhaltigkeitspionier und hat trotz Wachstum des Unternehmens ressourcenschonend gebaut, den Betrieb seiner Landschaft angepasst und dem Flächenfraß mit innovativen Ideen die Stirn geboten.“ Dies bedeute: „Dirk hat die Wiese, wo jetzt die neue Lagerhalle steht, einfach 12 Meter aufs Dach verfrachtet und die Kompensation direkt auf dem eigenen Gelände erbracht“, ergänzte Ostermeyer.

Anschließend sei es für die Teilnehmenden auf eben dieses Dach gegangen, das mit der Hochschule Osnabrück entwickelt und bis vergangenes Jahr wissenschaftlich begleitet worden sei. Dort erklärte Ostermeyer: „Wir dürfen keine Wegwerf-Architekten sein.“ Dies spiegele sich in der Vision, der Planung, der Umsetzung und des Baus wider. „Technisch können wir heute in einer globalen Welt alles. Hier gilt es, uns selbst zu limitieren, auf Regionalität zu setzen in der Beschaffung der Baumaterialien, der Handwerker und der Energie.“
Die Workshop-Runde befasste sich mit mehreren Fragen: „Was bedeutet ganzheitliche Betrachtung beim Bauen?“, „Wie kann ein Punkteplan aussehen, der wirksam umgesetzt werden kann?“, „Was benötigen Bauakteure, um in die Umsetzung zu kommen und wie kann man das Wissen verbessern?“, „Wie kann der interkommunale Ansatz Synergien schaffen?“ Das Ergebnis der am Ende vier vollgeschriebenen Plakate sei eindeutig gewesen: „Von anderen lernen, damit man nicht die gleichen Fehler macht“, fasste es Konstantin von Kuczkowski von der IHK Hannover zusammen.
Marion Prissok aus Lemförde von der Grünen Ortsgruppe und dem Nabu Dümmer stellte die Frage in den Raum: „Wie überzeuge ich die Skeptiker stichhaltig?“ Für Christin Strömer vom Hochbau der Stadt Verden lag die Hürde in der Verwaltung: „Wir haben Sanierungsstau in Schulen, kleine Budgets wegen leerer Kassen und ein hohes Reglement.“ Einen konkreten Punkteplan habe es am Ende nicht gegeben, aber viel Verständnis für die Komplexität bezüglich der Zukunft von kommunalen und privaten Bauentscheidungen.
Für Matthias Witthöft und Steffen Langhorst vom Bauamt in Bassum sei jedoch klar gewesen: „In Beschlussvorlagen gehört fest der Hinweis auf die Ökologie.“ Einigkeit habe darüber bestanden, dass ein Handlungsfaden in Form eines Vertrags oder einer Satzung landkreisübergreifend hilfreich sei. Die Prüfung von Bauvorhaben könne nach der Satzung stattfinden, Anreize zum nachhaltigen Bauen formuliert und Bewertungskriterien aufgestellt werden. Eine Idee sei eine Art Nutriscore für die Region Mitte Niedersachsen im Bausektor gewesen.
Dem Totschlagargument „Kein Geld, schlechte Finanzen“ entgegnete Architekt Ostermeyer: „Nachhaltigkeit kostet und zwingt zum Nachdenken in längeren Zeiträumen. Die Umsetzung erfolgt, leider, nur mit klaren Regeln und manchmal Zwang.“
SIMONE BRAUNS-BÖMERMANN Quellenangabe: Kreiszeitung Bassum/Twistringen vom 19.12.2025, Seite 17
